Klein Tibet im Zillertal
Wenn ich an Tibet denke, dann denke ich an das Himalaya Gebirge, an endlose Steppen und kulturelle Kostbarkeiten. Ich denke an Spirit, an die philosophischen Lehren des Buddhismus, an Volksfrömmigkeit und eine facettenreiche Region mit bewegender Geschichte.
Doch was hat das geheimnisvolle, sehr spirituelle und wunderschöne Land im höchstgelegensten Gebiet der Welt mit Österreich bzw. dem Zillertal zu tun? Warum wird das tibetische Hochland, das vielen Menschen auch als das Dach der Welt bekannt ist, mit einem Ort in Tirol in Verbindung gebracht?
Vielleicht weil der österreichische Bergsteiger und Forschungsreisende Heinrich Harrer durch sein autobiografisches Buch „sieben Jahre in Tibet“ und dessen Verfilmung weltberühmt wurde und es seit 1983 auch ein Heinrich-Harrer-Museum in Kärnten in Österreich gibt?
Nein! Es hängt mit dem Zillergrund im Zillertal, Tirol zusammen. Denn dort gibt es einen zauberhaften, fast magischen Ort, der stark an das Hochland von Tibet erinnert: er wird liebevoll „das Klein Tibet im Zillertal“ genannt. Ehrlich, es ist der wohl schönste Ort an dem ich im Zillertal gewesen bin. Hier sind der Geist und das Herz wirklich frei: Frei von allen Verwirrungen und man ist erfüllt von der überwältigenden Schönheit der Natur, so rauh sie an grauen Tagen auch anmuten mag.
Meine Reise nach Klein Tibet beginnt in Mayrhofen, einer kleinen Gemeinde im hinteren Zillertal. Hier, am Ende des Tales, wo sich mehrere Gründe vereinen, gibt es eine Busstation und ich nehme den Bus, der mich gemächlich zur Bärenbadalm im Zillergrund befördert. Auf dem kurvigen Weg durchs Tal passieren Rinder und Ziegen die Chausee und irgendwie überkommt mich ein friedvolles, entschleunigtes Gefühl.
Die gemütliche Jausenstation ist auch mit dem Auto, mit dem Rad oder über Wanderwege erreichbar. Ich habe mich heute für den Bus entschieden. Dort angekommen, kann ich den süßen Verführungen nicht widerstehen und probiere die originalen „Zillertaler Krapfen“. Es gibt sogar einen kleinen Kinderspielplatz für Familien, die sich mit ihren Kindern auf den Weg gemacht haben.
Der Bus würde auch bis zum Stausee weiterfahren, aber ich entscheide spontan und frisch gestärkt, das letzte Stück zu Fuß weiterzugehen. Oben angekommen bekommt man eine kleine Vorahnung von dem Anblick, der sich einem nach dem 500m langen Tunnel offenbaren wird. Denn wenn man den hinter sich gelassen hat, erblickt man den Stausee und die bergische Umgebung in seiner ganzen Schönheit. Schon hier fühle ich mich tatsächlich wie in einer anderen Welt, ja, wie an einem heiligen Ort. Es ist ein nahezu unglaublich beeindruckender, gigantischer Ausblick.
Nach dem vielen Staunen geht es am türkis-blauen Wasser entlang weiter Richtung Klein Tibet. Die wilde Schönheit der atemberaubenden Landschaft und der Frieden, den dieses Fleckchen Erde ausstrahlt, wecken in mir tatsächlich Assoziationen zum Original im Himalaya. Glück und Frieden – Tashi Delek! – das wünschen sich die Tibeter untereinander und auch wenn ich hier keinem Tibeter begegne, so ist es doch das, was ich fühle.
Ich komme vorbei an einer Vielzahl von Bänken, die mich einladen, Platz zu nehmen, zu verweilen und die Schönheit auf mich wirken zu lassen. „S’Bankl zum Träumen“ lässt mich inne halten und ich sitze da und will für immer bleiben.
Ich laufe weiter und ganz am Ende des Sees erreiche ich das Zentrum von Klein Tibet. Da ist eine Steinhütte mit wehenden Fahnen, die dem Himmel die Gebete zutragen. Die 5 Farben der Gebetsfahnen stehen für jeweils ein Element. Die Symbole und Mantras, die die Fahnen zieren, sollen für das Glück aller fühlenden Wesen mit dem Wind in die Welt hinausgetragen werden. Es ist ein schöner Glaube, den ich mir bewahren möchte. Diese Steinhütte ist die Hohenaualm. Aber nicht nur die Almhütte, die Landschaft, und die Fahnen sondern auch die großen Holzbuchstaben, die Gebetsmühlen, das alte Wasserrad und die Pferde und Kühe lassen mich spüren, dass ich am Ziel bin. Ich bin in einer anderen Welt, ich bin in Klein Tibet im Zillertal.
Klein Tibet ist ein magischer Ort, den man kaum in Worte fassen oder dessen Schönheit sich nicht in oder mit Bildern festhalten oder beschreiben lässt. Es ist ein Ort, den man selbst gesehen und dessen Charme und Atmosphäre man gefühlt haben muss. Dieser Ort ist einen Tages-Ausflug und eine Wanderung wert und er ist ein großes Abenteuer für die ganze Familie. Ich jedenfalls komme bestimmt dorthin zurück.
Hier zusammengefasst noch einmal kurz für Euch die Hard-Facts:
Ausflugsziel: Hohenaualm | Klein Tibet im Zillertal
Ausgangspunkt: von der Hütte Zillertal in Aschau mit der Zillertalbahn bis nach Mayrhofen, in Mayrhofen dann mit dem Bus, dem Rad oder dem Auto Richtung Brandberg zur Bärenbadalm
von der Bärenbadalm kommt man mit dem Bus, mit dem Bike oder zu Fuß bis zur Zillergrund Staumauer
Wanderung: hier führt ein 500 m langer Tunnel zu einer gut begehbaren Forststraße → von hier dauert der Fußmarsch ca. 1 Stunde bis zur Hohenaualm nach Klein Tibet
Öffnungszeiten Hohenaualm: Anfang/Mitte Juni bis Mitte Oktober (solange kein Schnee liegt)
Dauer: ca. 3,5 Stunden
Höhe: 1.500 m